„Das bleibt in den Köpfen“
Seit 2017 ist Timo Schüsseler regelmäßig in den neunten Klassen der Josef-Annegarn-Schule zu Gast. Und auch in diesem Jahr gelang es dem Buchautor für 90 Minuten Stille bei den Schülern zu sorgen. Schulsozialarbeiterin Daria Zickermann ist überzeugt, dass das was Schüsseler zu sagen hat, in den Köpfen der Schüler bleibt.
War in den ersten Minuten noch das eine oder andere Grinsen auf dem Gesicht der Schüler zu sehen, so verschwanden diese Reaktion schnell und es herrschte 90 Minuten Stille bei den Schülern der Josef-Annegarn-Schule. Nicht einmal als es zur Pause läutet, sagt jemand etwas oder macht gar den Versuch aufzustehen.
Seit 2017 regelmäßiger Gast
Doch von Anfang an: Seit 2017 kommt Timo Schüsseler jeweils in die neunten Klassen der Josef-Annegarn-Schule, um von seiner Suchterkrankung zu berichten. „Ich buche ihn jedes Jahr“, sagt Schulsozialarbeiterin Daria Zickermann. Warum? Weil es einfach anders bei den Schüler ankomme, „als wenn wir so etwas erzählen“, sagt sie und ist überzeugt: „Es bleibt einfach in den Köpfen, was er sagt.“ Und damit sei schon etwas erreicht. Denn die Schüler würden sich Gedanken zum Konsum – sei es von illegalen, wie auch von legalen Drogen wie Alkohol – machen.
Gleichwohl gebe es auch immer mal Situationen, in denen ein Schüler oder eine Schülerin den Raum aufgrund der Schilderungen von Timo Schüsseler verlasse. „Dann suchen die Betroffenen auch den Kontakt zu uns“, sagt Daria Zickermann, die eine explizite Nachbesprechung des Vortrages nicht für notwendig, wenn nicht gar kontraproduktiv hält. „Wenn Schüler betroffen sind, machen sie das selbst zum Thema“, sagt sie. Umso wichtiger sei es allerdings, dass bei den Vorträgen entweder der Klassenlehrer oder auch sie als Schulsozialarbeiterin zugegen sei, um die Schüler zu beobachten.
Das erste Bier mit 14 Jahren
Und dann folgte seine Geschichte. Vom ersten Bier mit 14 Jahren über den ersten Joint mit 16 Jahren und die Ausbildung zum Altenpfleger, die er 1998 abschloss. Schon damals war seine Familie überzeigt: „Du trinkst zu viel“. Er ignorierte das. Brach den Kontakt schließlich gänzlich ab. In seinen Augen hatte er eben genau dieses Problem nicht. Er trank eben „nur“ sein Feierabendbier und am Wochenende eben mal „mehr“. Absolvierte sogar noch eine Ausbildung zum operationstechnischen Assistenten. Viel Verantwortung, wie er selbst sagt. Das „Feierabendbier“ blieb. Und damit auch Ausfälle bei der Arbeit. „Wenn ich mal einen dicken Kopf hatte. Meldete ich mich krank. Rücken.“ Am Ende – das war 2006 – verlor er seinen Job. Und seine Würde. Nämlich in dem Moment, als er von Gesundheits-, Ordnungsamt und Rettungskräften aus seiner verwahrlosten Wohnung geholt wurde. Begafft von den Nachbarn. Acht stationäre Entgiftungen und zwei Langzeittherapien hat Schüsseler mit den Jahren hinter sich gebracht.
Inzwischen hat er seine Geschichte in einem Buch verarbeitet und hält regelmäßig Vorträge – die längst nicht nur die Schüler beeindrucken. Auch Daria Zickermann ihren Kollegen in der Lehrerschaft sind von der Wirkung Schüsselers auf die Schüler beeindruckt: „Egal in welche Klasse er kommt, die Schüler sind 90 Minuten ruhig“, sagt sie und fügt hinzu: „Das ist respektvolles Zuhören.“